Donnerstag, 20. Oktober 2016

heulen und zähneklappern

Lange habe ich hier nichts mehr geschrieben. So oft ich es mir auch vornehme, wieder mehr zu bloggen, es ist dann doch bequemer, Statusupdates auf Facebook rauszuhauen, wo es mittlerweile auch deutlich mehr Leute lesen.
Warum also heute ein neuer Beitrag?
Ich bin gestern von Jena über Nürnberg und Aschaffenburg nach Darmstadt gefahren, bin dort heute ein bisschen rumgelaufen und dann mit dem Bus zum Frankfurter Flughafen; von dort fahre ich wieder zurück nach Jena. (Möglicherweise wurde mir das mit dem Bus so empfohlen, weil im Moment wegen Bauarbeiten die Strecke Eisenach–Erfurt gesperrt ist und daher insgesamt weniger Züge in Ost-West-Richtung fahren? Oder ist das immer die schnellste Verbindung von Darmstadt in den Osten?) Naja, wie auch immer, ich habe gestern die riesige Baustelle zwischen Lichtenfels und Bamberg gesehen, den schicken neuen Aschaffenburger Hauptbahnhof mit allem Drum und Dran, die niedlichen kleinen Bahnhöfe an der Rhein-Main-Bahn, die neue Universitäts- und Landesbibliothek in Darmstadt sowie diverse andere Neubauten und Bauvorhaben in der dortigen Innenstadt, in Frankfurt natürlich den Flughafen mit den ersten Gebäuden der Gateway Gardens und dem »Squaire«, was ein bizarrer, aber faszinierender Ort ist (die größte Gewerbeimmobilie Deutschlands, mit dem wahrscheinlich verkehrstechnisch am besten angebundenen REWE der Welt und u.a. einen Laden, der eigenes darauf konzipiert ist, hochwertige Haushaltswaren und Luxusartikel an asiatische Reisegruppen zu verkaufen). An meinem Fenster zieht Frankfurt vorbei und die neuen Immobilien schimmern in der Sonne.
In Darmstadt gab es gestern ein sicherheitstechnisch heikles Fußballspiel, am Bahnhof war großes Gedränge, aber die Polizei hatte die Lage im Griff. In der glühend heißen Innenstadt gab es viele fröhliche oder weniger fröhliche Betrunkene. Auch heute sehe ich fast ausschließlich Menschen, die einigermaßen gut gekleidet haben, noch Zähne im Mund haben und die hautfarbeninvariant freundlich sind, wenn sie einen fragen, wie denn diese Straße heißt.
Wenn man das alles so sieht, kann man sich schon einmal fragen, wie es zu schaffen ist, durch dieses Land zu gehen und den Eindruck zu haben, dass der Zusammenbruch kurz bevorsteht. Es glaubt nun aber eine große absolute Mehrheit der Deutschen, dass es demnächst schlechter wird, und schätzungsweise 20–25 %, wenn nicht mehr, sind der Meinung, dass zur Abwendung des kommenden Unheils sehr schnell sehr Radikales geschehen muss (das kalkuliere ich so anhand der letzten Wahlergebnisse). Mir macht das wirklich große Angst.
(Posting verfasst am 11.9.2016)
Ganz schön lang her, dass ich hier nichts mehr geschrieben habe.

Donnerstag, 9. Juli 2015

schwäbisch hall

Nachts haben Durchsagen in Zügen, Flugzeugen oder auf Schiffen etwas Heimeliges und doch Melancholisches, das sich schwer beschreiben lässt.

Dienstag, 30. Juni 2015

mehr und mehr

Ich bin regelmäßig in Situationen, in denen ich mir ein unglaublich erfrischendes Erfrischungsgetränk wünsche. Leider gibt es kein echtes Erfrischungsgetränk, das so stark erfrischt, wie ich mir das von diesem fiktiven Getränk erhoffe. Es gibt Näherungen (Limo mit echtem Zitronensaft; gut gekühltes Ginger Ale; Eistee mit Kohlensäure). Aber auf das Getränk meiner Träume warte ich immer noch.

Montag, 18. Mai 2015

nachtrag

Von David Foster Wallace, Gott hab ihn selig, gibt es einen populären Text namens »This is Water«, der unter anderem thematisiert, dass es Bildung (und, worauf mich Judith hinweist, Erziehung) ist, die es uns erlaubt, über die Fixiertheit auf uns selber hinwegzukommen und anzuerkennen, dass nicht alles, was unseren unmittelbaren Interessen zuwiderläuft, böswillig gegen uns gerichtet ist. Wenn das so ist (und ich finde, es spricht vieles dafür), dann sind die Leute, die regelmäßig und in irrstmöglicher Weise Theorien aufstellen, denen zufolge Straßen, Plätze, Kanalisationen, Bahnstrecken usw. absichtlich langsamer als möglich umgebaut werden, einfach ungebildet und/oder schlecht erzogen.

Montag, 11. Mai 2015

wunschpunch

Jenny Schröer, Mitstreiterin aus uralten Jugendpartizipationszeiten, hat mich bei Facebook auf einen Essay von Nils Markwardt bei der Online-Zeit zur Rezeption der derzeitigen Streiks in Deutschland hingewiesen. Das darin enthaltene Theoretiker*-Namedropping und der stellenweise durchkommende hochschullinke Jargon sind m.E. unnötig, aber das macht nichts. Was der Essay vor allem enthält, sind zwei wunderbare zitierwürdige Stellen:
Die SPD agiert momentan also ungefähr so sozialdemokratisch wie Ayn Rand beim Restpostenverkauf.
Und:
Der Staat firmiert bei vielen Bürgern als politische Wunschmaschine, in dessen Maschinenraum man aber lieber keinen Blick werfen will.
Insbesondere letzteres Zitat drückt präzise einen Gedanken aus, den ich regelmäßig habe, vor allem, wenn ich Kommentare unter Online-Presseartikeln zu kommunalpolitischen oder auch lokalwirtschaftlichen Themen lese. Die Männer*, die da schreiben, haben keine Hemmungen, vom Staat (interessanterweise meistens von der Kommune) die Lösung buchstäblich aller Alltagsprobleme zu verlangen. Wenn auf der Straße Betrunkene herumschreien, greifen die Leute heute nicht mehr zum Wassereimer oder rufen die Polizei, sondern rufen nach der Politik, damit diese das Problem prinzipiell und grundlegend lösen möge. Wenn es an billigen Wohnungen mangelt, gründet man keine Spar- und Bauvereine oder Wohnungsbaugenossenschaften mehr, sondern beschimpft den Staat dafür, dass er die (immer wenigen, immer persönlich genannten, immer als »Spekulanten« verteufelten) Privatinvestoren nicht vom Bauen abhält.
Was meine alte Heimat Marburg betrifft, konnte man in der Oberhessischen Presse online schon Leser*meinungen sehen, die die Stadt für den Mangel an Diskotheken oder bestimmten Einzelhandelsgeschäften verantwortlich machten. Andererseits beschwert man sich – bis hoch zu Spitzenkandidaten* der Parteien für die kommende OberbürgermeisterInnenwahl – gleichzeitig über die schlechten Straßen und die vielen Straßenbaustellen. (Dass man gegen Bauprojekte protestiert, weil sie während der Bauzeit Behinderungen verursachen, selbst wenn man sich den Endzustand wünscht, ist ohnehin überall völlig üblich.) Sogar verschwörungstheoretische Elemente kommen hoch, wenn etwa gemutmaßt wird, die rotgrüne Stadtverwaltung plane die Baustellen absichtlich so, dass der Autoverkehr behindert werde, um den Bürgern* das Autofahren abzugewöhnen.
Gleichzeitig aber – und auch das thematisiert Markwardts Essay – halten die Kommentatoren gerne das Fähnchen des hart arbeitenden (und weit pendelnden!) Pflichtmenschen hoch, der nie auf die Idee käme, zwecks Durchsetzung einer Forderung die Arbeit einzustellen oder zwecks politischen Engagements mal eine Stunde früher Feierabend zu machen, und der in alle Richtungen wahllos andere der Faulheit und des Anspruchsdenkens bezichtigt. Die Metapher von der Wunschmaschine trifft es genau: »Der Staat« bzw. »die Politik« (Zuständigkeiten werden grundsätzlich nicht differenziert, man beschimpft beispielsweise einen Baubürgermeister wegen Ordnungsamtsangelegenheiten, die gar nicht in sein Ressort fallen) soll alles richten, aber ohne eigenes Engagement, das über Nörgelei hinausginge, und ohne irgend eine Rücksicht auf Interessenausgleich mit anderen, Machbarkeit oder die tatsächliche politische Gemengelage. Nur so ist es möglich, »die Politik« des Nichtstuns, des Desinteresses und der Inkompetenz zu bezichtigen und gleichzeitig Streikende, Demonstrierende oder auch nur parteipolitisch engagierte pauschal zu diffamieren.
Ich kenne mich mit Psychoanalyse nicht aus, aber es gibt da bestimmt einen Fachterminus für die Situation, in der jemand von einer Übervater- oder -Mutterfigur die Lösung seiner Lebensprobleme verlangt und daran notwendig scheitert. Das, was dies in der deutschen Situation hervorbringt, wird normalerweise als Politikverdrossenheit oder Wutbürgertum beschrieben. Es ist die enttäuschte Abwendung derer vom Staat, die sich nie von ihm abnabeln konnten.

*maskuline Form Absicht

Dienstag, 21. April 2015

tu, felix iena

Ein kleiner Park vor einer Stadtvilla aus dem 18. Jahrhundert. Strahlender Sonnenschein. Vor einer überlebensgroßen Statue von Albertus Magnus eine Wiese voller Gänseblümchen, darauf im Kreis sitzend die Kollegin P. mit ihrem Seminar.
Das glaubt mir zuhause ja keiner, wie das hier aussieht. So muss sich Klein-Fritzchen vorstellen, wie es ist Philosophie zu studieren.

Sonntag, 29. März 2015

nie besser als spät

Drei Tage vor meinem Wegzug aus Marburg war ich heute zum ersten Mal im Kunstverein. Das sind ja wirklich schöne und auch große Räume, und die derzeitige Ausstellung (»Angesicht« von Johannes Heisig, überwiegend großformatige Porträts) lohnt sich auch. Da hätte ich die letzten zwölfeinhalb Jahre vielleicht mal öfter hingehen sollen.